Wenn Doreen Minnerop in ihrem Büro das Fenster öffnet, hört man das Rauschen der Göltzsch, die durch das vogtländische Auerbach fließt. Für die Hörakustikmeisterin ist das Geräusch des kleinen Flusses ein überzeugendes Argument, wenn ihre Kunden noch daran zweifeln, ob sie tatsächlich einen Hörschaden haben. „Ich mache das Fenster auf und frage, was sie hören. Die Antwort ist dann oft: Nee, ist alles ruhig hier“, erklärt die 44-jährige Handwerksmeisterin.

Doreen Minnerop

Später freuen sich ihre Kunden, wenn sie solche Naturgeräusche wieder wahrnehmen. Doch bis dahin ist es oft ein langer Prozess. Denn die Hörschäden kommen schleichend. Im Schnitt dauere es sieben Jahre, bis jemand mit schlechtem Gehör handelt, erzählt Minnerop. Der Besuch in der „Hörwelt Minnerop“ ist dann auch nur der erste Schritt. „Der Kunde muss Vertrauen schöpfen. Oft kommen die Menschen sieben- bis zehnmal, ehe es zum Verkauf eines Hörgerätes kommt“, schildert Minnerop das Prozedere. Aber dieser enge Bezug zum Kunden hat sie auch dazu bewogen, sich selbstständig zu machen. Bei ihrem vorherigen Arbeitgeber ging es zuletzt eher um das Controlling der Filialen. Die Empathie zum Kunden hatte ihr gefehlt. Im Sommer 2019 entschloss sich Doreen Minnerop, den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen. „Das habe ich eher aus dem Bauch heraus entschieden“, sagt die Mutter von zwei Kindern. Schnell fand sie ein geeignetes Ladenlokal in ihrer Heimatstadt Auerbach. Ein zweiter Standort bot sich in Reichenbach im Vogtland an, sodass im Januar 2020 die „Hörwelt Minnerop“ in Auerbach an den Start ging, einen Monat später folgte Reichenbach. Im Dezember 2020 eröffnete sie eine dritte Filiale in Treuen. Inzwischen beschäftigt Minnerop fünf Mitarbeiterinnen. 

Die Hörakustikmeisterin ist sich bewusst, dass sie in einer schwierigen Branche tätig ist. Die Mitbewerber im Hörgerätebereich sind meist große Filialketten und Konzerne. Minnerop hat sich deshalb auf die fast unsichtbaren „Im-Ohr-Systeme“ spezialisiert. Alle Mitarbeiterinnen haben dafür spezielle Schulungen besucht. „Diese Art der Hörsystemversorgung benötigt besonders viel Fachkompetenz und dauert häufig etwas länger“, sagt Minnerop. Deshalb würden das einige Mitbewerber gar nicht anbieten. „Eine begrenzte Testzeit gibt es bei uns nicht. 

Erst wenn der Kunde hundertprozentig zufrieden ist, schließen wir den Kauf ab“, erklärt sie ihre Geschäftsphilosophie. Auch mit weiteren Spezialisierungen versucht die Unternehmerin sich einen Kundenstamm aufzubauen. Da sie auch die Zusatzqualifikation zur Pädakustikerin absolviert hat, kann sie auch Babys und Kinder mit Hörsystemen versorgen. Zudem gehört die „Hörwelt Minnerop“ seit Ende 2021 zu einer Fachhändler- Gruppe, die unter dem Label „Dein Basss“ das sogenannte „In- Ear-Monitoring“ anbietet. Dabei geht es um individuell angepasste Kopfhörer beispielsweise für Musiker oder Sportler. „Damit erreichen wir ein ganz anderes Publikum“, erklärt Minnerop. Auf diese Kundschaft müsse man aktiv zugehen, beispielsweise bei Konzerten, Events oder Musikmessen.

Auch Unternehmen, die ihre Mitarbeiter an Lärmarbeitsplätzen effektiv schützen wollen, gehören zu Minnerops Kundschaft. Den ersten Kontakt zur Hörakustik hatte die heutige Handwerksmeisterin bereits bei einem Schulpraktikum in der 9. Klasse. Nach dem Abschluss der 10. Klasse begann sie ihre Ausbildung. Inzwischen ist Minnerop seit vielen Jahren als Prüferin im Meisterprüfungsausschuss der Handwerkskammer Rheinhessen. Seit Januar 2022 ist sie zudem öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige der Handwerkskammer Chemnitz für das Hörakustikhandwerk. Damit kann die 44-Jährige beispielsweise als Sachverständige von Sozialgerichten, Krankenkassen oder auch Rentenversicherungen zu Rate gezogen werden. Ihren Schritt in die Selbstständigkeit hat Doreen Minnerop nicht bereut. „Das war eine wunderbare Entscheidung“, sagt sie mit einem Lächeln im Gesicht. Eigentlich hätte sie das viel eher machen können, meint sie. Aber für einen solchen Schritt sei es nie zu spät.

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